Orchideen im Rheingau

Die Pflanzenfamilie der Orchideen umfasst ca. 30 000 Arten weltweit mit Ausnahme der Antarktis. Evolutionsbiologisch ist es eine relativ junge Pflanzenfamilie, das heißt die Arten verändern sich noch in relativ kurzen Zeiträumen, es entstehen neue Arten und andere verschwinden wieder. Es sind sicherlich auch noch nicht alle Arten entdeckt.

Die meisten Orchideen finden sich in den tropischen und subtropischen Regionen dieser Erde und sie leben als „Aufsitzerpflanzen“ (Epiphyten) in den Kronen des Regenwaldes. Daher stammen die meisten unserer Zimmerorchideen. Es gibt aber auch viele Arten in den gemäßigten Zonen, die in der Erde wachsen, wie es jede Pflanze hier bei uns auch tut. (Erdorchideen) Und von diesen Erdorchideen haben wir deutschlandweit ca. 80 Arten, die meisten im Alpenbereich. Aber auch im Rheingau können wir mit viel Glück und Ortskenntnis 13 Arten finden. Die meisten dieser Orchideen wachsen auf naturnahen, ungedüngten Wiesen oder im Halbschatten des Waldes. Einige wenige auch mitten im Wald. Die Standortbedingungen sind äußerst unterschiedlich, allen gemein ist aber, dass sie vom Menschen beeinflusste Gebiete meiden. Da diese im landwirtschaftlich stark genutzten Rheingau sehr selten sind, gibt es entsprechend wenige Stellen, an denen Orchideen wachsen. Sie bevorzugen nährstoffarme, basenhaltige Böden.

Am häufigsten sieht man die Bocksriemenzunge (unten links), die eigentlich aus dem Mittelmeerraum stammt und sich hier - durch die milden Winter begünstigt – weit nach Norden ausbreitet. Sie steht sogar schon mal an wenig gemähten Straßenrändern und fällt im Januar durch ihre großen, hellgrünen Blattrosetten auf. 

 

Ähnliches gilt für die Bienenragwurz (unten rechts), die aber unauffälliger ist. Die Blütezeit beider Arten ist Mitte Mai. Die der Bienenragwurz sehr ähnliche Hummelragwurz gibt es nur an einem einzigen Standort im Rheingau.

Ebenfalls im Mai blüht auch das Purpurknabenkraut (links), welches lichte Wälder bevorzugt. Von ihr gibt es im Wispertal noch einige wenige Standorte. 

Zur gleichen Zeit und auch in lichten Wäldern findet man auch das breitblättrige und das schwertblättrige Waldvögelein. Sie sind sehr selten geworden. (Mitte und rechts)

Etwas früher - Ende April - blüht das stattliche Knabenkraut in den verbuschten Randbereichen alter, ehemaliger Weinberge und das kleine Knabenkraut – nur noch auf einer einzigen Wiese im Rheingau. Orchideen der Feuchtwiesen, wie das gefleckte Knabenkraut (BILD) und das Fuchs-Knabenkraut (BILD) sind weitgehend verschwunden. Dafür ist der Rheingau zu trocken geworden, die Wiesen sind im Sommer nicht mehr ausreichend nass.


In dunklen Buchenwäldern mit lehmigem Boden findet man ab und zu die Vogelnestwurz (BILD), die ohne Blattgrün auskommt und auf den Buchenwurzeln schmarotzt. Die Vogelnestwurz kann leicht mit den Sommerwurzarten verwechselt werden. Diese bilden aber eine eigene Pflanzenfamilie und gehören nicht zu den Orchideen. Im Hochsommer findet man ebenfalls in den Buchenwäldern drei verschiedene Stendelwurzarten (BILD), die breitblättrige Stendelwurz, die Purpurstendelwurz und die spitzlippige Stendelwurz. Alle Stendelwurzarten sind schwer auseinander zu halten und wachsen relativ unauffällig.

Andere Orchideenarten, wie der „hängende Mensch“, der Frauenschuh, das Helmknabenkraut und die Waldhyazinthen sind vor einigen Jahrzehnten im Rheingau ausgestorben. Ein Grund dafür sind sicher die klimatischen Veränderungen. Aber auch menschliche Eingriffe durch Nährstoffeintrag, mechanische Zerstörung, Baugebiete trugen erheblich dazu bei, dass es immer weniger Orchideen gibt.

 

Trotzdem brauchen die Orchideen der Wiesen die Pflege durch den Menschen, weil sich die ehemalig durch Schafe, Ziegen, Schweine, Pferde, Rinder beweideten Wiesen wieder schnell zu Buschland entwickeln würden. Dann überwuchern Gräser und Brombeeren die Orchideen und ersticken diese. Daher finden wir die lichtliebenden Arten vorwiegend nur noch in den Naturschutzgebieten, die regelmäßig gemäht werden. Wenn es dem NABU gelingt, nährstoffarme Wiesen zu kaufen, oder mit Wiesenbesitzern gemeinsam Pflegekonzepte zu entwickeln, die für Orchideenarten (und andere seltene Blütenpflanzen) förderlich sind, können wir vielleicht verhindern, dass weitere Orchideen im Rheingau verschwinden.

Text und Bilder: Thomas Burckard